Wie eine Freiwillige ein Heimatmuseum inklusiver gestaltet
Das Heimatmuseum in Eiderstedt hat sich nach Olivia Razums Freiwilligendienst dort sehr verändert: Museumstexte wurden in einfache Sprache übersetzt und können nun auch über andere Medien wahrgenommen werden. Was das Projekt für die Einsatzstelle im ländlichen Raum und Olivia selbst bedeutet, hat sie uns erzählt.
Als Olivia sich für eine Einsatzstelle entscheiden musste, wollte sie v. a. in eine Bibliothek. Im schleswig-holsteinischen St. Peter Ording ist diese unter einem Dach mit dem Museum Landschaft Eiderstedt. Sie erinnert sich daran, dass sie sich trotz der Unterschiede zu ihrer Heimat Darmstadt in dem kleinen Ort an der Nordseeküste schnell zuhause fühlte und schon nach einer Woche voll auf ihre Arbeit konzentriert war. Sie erkannte ebenso schnell, wie wichtig das Heimatmuseum im ländlichen Raum nicht nur für die Tourist*innen, sondern auch für die Einheimischen ist. Besonders eine Sonderausstellung ließ Olivia Zeugin von tiefgründigen Gesprächen werden, die ihr in Erinnerung blieben: „Für die mit einer Schule gestaltete Sonderausstellung über Eiderstedt im Nationalsozialismus sind vermehrt Einheimische ins Museum gekommen. Da hat man den Wert vom Heimatmuseum erkannt, weil dadurch Räume für Themen geschaffen wurden, über die sich dann die Einheimischen austauschen konnten. Das wäre im privaten Rahmen so vielleicht nicht passiert."
Eine Idee - und viele Texte
Wenn es in den Räumen des Museums aber mal etwas ruhiger war, standen Olivias Gedanken dennoch nicht still. Sie berichtet davon, wie sie sich bereits vor ihrem eigenen Projekt fragte, wie Besucher*innen die Inhalte des Museums nutzen könnten, die z. B. nicht über die Treppe zum Obergeschoss gelangen können. Dort, wo alle Inhalte über die Geschichte und Entwicklung Eiderstedts in vierzehn langen Texten zwischen den Ausstellungsstücken an den Wänden stehen. Nachdem Olivia bereits in ihrem Kennenlerngespräch Interesse am Schreiben von Texten bekundet hatte, kamen dann in der Zusammenarbeit mit der Leiterin des Museums Fragen auf: Wie können die Texte leichter zu verstehen sein und trotzdem die komplexen und spannenden Inhalte vermitteln? Wie werden die Informationen von möglichst vielen wahrgenommen? Und vor allem: Wie kann das helfen, das Museum möglichst barrierefrei zu gestalten?
Mit diesen Fragen im Hinterkopf begann Olivia die große Aufgabe, die Texte orientiert an den Regeln der einfachen Sprache zu übersetzen. Dabei sollten sie schön klingen und für Menschen unterschiedlicher Generationen und mit unterschiedlichem Hintergrundwissen lesbar und damit zugänglicher sein. Olivia erzählt, dass auch sie selbst erstmal einen Zugang zu den Texten finden musste: „Ich war zunächst überrascht, dass man mir diese große Aufgabe anvertraut hat, denn schnell habe ich bemerkt: Diese Texte umzugestalten ist mehr als bloßes Übersetzen. Man muss ihren Inhalt und damit auch die örtlichen Besonderheiten der Region erst genau verstehen, damit man sie umschreiben kann.“ Das Verständnis über Eiderstedt wurde durch Olivias Aufbereitung der Texte nun für eine größere Gruppe von Besucher*innen ermöglicht.
Die Entwicklung des Projekts - und von Teilhabe
Die Texte umzuformulieren blieb nicht der einzige Teil ihres Projekts, das schließlich in das von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien geförderte Programm „land.schafft“ im Rahmen der Freiwilligendienste Kultur und Bildung aufgenommen wurde. Im Sinne der Förderkriterien, ein nachhaltiges und praktisches Projekt durchzuführen, hatte Olivia die Möglichkeit, auch über die technische Aufbereitung der Texte nachzudenken. Direkt sichtbar wurde die Arbeit hinter dem Schreibtisch vor allem dadurch, dass die Texte dann in Hörstationen und über Displayständer im Museum sichtbar und Teil der Dauerausstellung wurden. Man kann nun die Texte wie einen Katalog durchblättern, sie für Sehbeeinträchtigte darstellen oder die Hörstationen ins Erdgeschoss bringen. Die Informationen sind damit barrierefrei für die Besucher*innen zugänglich. Dabei war es ein Balanceakt, nicht den Charme des historischen Museums durch zu viele neue Technologien zu nehmen.
Statt in einer Informationsflut können die Inhalte nun nicht nur neu wahrgenommen werden, sondern die Texte in mehreren Medien ermöglichen auch, dass verschiedene Alters- und Bevölkerungsgruppen miteinander in Kontakt kommen. Olivia veränderte mit ihrem Projekt damit nicht nur das Heimatmuseum über ihren Freiwilligendienst hinaus. Sie erlebte direkt, wie bereichernd und motivierend es sein kann, Teilhabe zu schaffen. Auch wenn dahinter ein manchmal schwieriger Prozess steckt. Sie erinnert sich: „Es war für mich immer wieder sichtbar, was vorangeht und welchen Sinn meine Arbeit an dieser Stelle macht. Wahrscheinlich habe ich schon unterbewusst über das nachgedacht, was ich dann im Rahmen des Freiwilligendienstes und durch „land.schafft“ direkt umsetzen konnte: Wie ergeht es einer Person, die nicht die Museumstreppen hinauf gehen oder sich alle Texte durchlesen kann? Diese Gedanken konnte ich mir durch die Projektförderung machen, und nun liegt mir das Thema Barrierefreiheit und Teilhabe sehr am Herzen, gerade weil ich es mit meinem Projekt direkt unterstützen und erleben konnte.“
Zugänge schaffen auf dem Land
Obwohl Teilhabe für alle Kulturbetriebe eine Rolle spielt, ist sich Olivia sicher, dass ihr Projekt vor allem in einer kleineren Institution im ländlichen Raum erfolgreich sein konnte. Mit jedem Anliegen konnte sie über kurze Kommunikationswege an die Kolleg*innen im Museum herantreten, blieb durch ihre vielfältigen Aufgaben nicht in Routinen stecken und fand immer wieder neue Motivation. Außerdem erlebte sie, wie das Heimatmuseum im Ort über Generationen bekannt und damit eine geschätzte Institution ist. Gleichzeitig können sich aber auch Freiwillige*, die wie Olivia selbst nicht einheimisch sind, mit ihren neuen Perspektiven einbringen. Im Vergleich zu ihrem Aufwachsen in der Stadt schätzt Olivia ein, dass auf dem Land jede existierende Einrichtung als wichtig wahrgenommen wird und die Bibliothek ein fester Bestandteil des alltäglichen Lebens der Menschen vor Ort ist. Sie kann sich nach ihrem Freiwilligendienst nun auch vorstellen, weiterhin auf dem Land zu bleiben und kulturell zu wirken. Vorausgesetzt die Initiativen junger Menschen werden dort weiterhin wertgeschätzt. Aus ihrem Freiwilligendienst und der Projektförderung nimmt sie eine positive Erfahrung und damit Motivation für die Zukunft mit. Olivia erzählt: „Als ich die E-Mail mit der Förder-Zusage erhielt, war ich so glücklich, denn ohne diese hätte mein Projekt diesen Weg und seine Wirkung nicht entfalten könnten. Dann wäre das ein toller Ansatz gewesen, aber um Teilhabe zu erlangen, muss dieser auch umgesetzt werden.“
In ihrem Projekt, das durch die Förderung mit „land.schafft“ deutlich an Fokus und Wirksamkeit gewann, hat Olivia schon in ihrem Freiwilligendienst wertvolle Erfahrungen von Zeitmanagement und Hingabe gemacht, die sie nun ins weitere Leben hinein trägt. Sie ist dankbar dafür, wie viel Verantwortung ihr beim Freiwilligendienst im Heimatmuseum in Eiderstedt übertragen wurde. Mit ihrer umfassenden Arbeit an den Museumstexten und wie diese dargestellt werden hat sie nun aber auch Teilhabe für alle zukünftigen Besucher*innen des Heimatmuseums ermöglicht.